Berlin, Deutschlandhalle, 20. November 1971. Auf einer leeren Bühne, einsam im Kegel der Scheinwerfer, tritt Kinski auf. Er rezitiert seinen eigenen Text „Jesus Christus Erlöser“ und realisiert damit ein Projekt, mit dem er sich schon seit über zehn Jahre beschäftigt. Es ist die Zeit der Hippiebewegung, das Musical „Jesus Christ Superstar“ feiert gerade sensationelle Erfolge. Doch „Jesus Christus Erlöser“ von Klaus Kinski ist kein Hippie-Happening. Es soll eine hochemotionale, ganz auf die Stimme des Schauspielers reduzierte Erzählung werden – ihr Inhalt, laut Kinski, die „erregendste Geschichte der Menschheit: das Leben von Jesus Christus“ als einem der „furchtlosesten, freiesten, modernsten aller Menschen, der sich lieber massakrieren lässt, als lebendig mit den anderen zu verfaulen“. Der Film von Peter Geyer zeigt den abendlangen Versuch eines Schauspielers, seinen Text sprechen zu dürfen. Ein erster Auftritt endet im Tumult. Kinski schreibt später in seiner Autobiografie: „Das ist ja wie vor 2.000 Jahren. Dieses Gesindel ist noch beschissener als die Pharisäer. Die haben Jesus wenigstens ausreden lassen, bevor sie ihn angenagelt haben.“ Aber es gibt einen Epilog. Als die Deutschlandhalle sich bis auf wenige Zuschauer geleert hat, tritt Kinski in ihre Mitte und spricht erschöpft, mit leiser, angerauter Stimme, seinen ganzen Text von Anfang bis Ende. „Meine Erschöpfung ist wie weggeweht“, schreibt er später. „Ich fühle meinen Körper nicht mehr. Um zwei Uhr früh ist alles zu Ende“. Der Film von Peter Geyer ist ein einzigartiges Dokument. Nicht nur über eine Zeit, die mit ihren Autoritäten hadert, die ein schwieriges Verhältnis zur Kunst hat, die nicht mehr nur zuhören, sondern diskutieren will – sondern auch über einen Künstler im Moment seiner Arbeit.
Peter Geyer (Regisseur), Minhoi Loanic, Nikolai Kinski
Jesus Christus Erlöser | Jesus Christ Saviour
Panorama · Pressekonferenz · 11. Februar 2008