Retrospektive, Berlinale Classics & Hommage
08.02.2021
Berlinale 2021: Retrospektive „No Angels – Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard“
Für die Retrospektive mit dem Titel „No Angels – Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard“ stellte die Auswahlkommission unter Leitung von Rainer Rother ein Programm aus 27 Komödien der drei US-Schauspielerinnen zusammen. Bei der Filmauswahl standen die strengen Regeln für weibliche Comedians in den Hollywood-Studios unter dem Hays Code im Fokus. Mit dem 1930 offiziell als Motion Picture Production Code eingeführten Regelwerk unterwarf sich Hollywood ab 1934 einer freiwilligen Selbstkontrolle hinsichtlich „moralisch bedenklicher“ Inhalte, um eine staatliche und möglicherweise restriktive US-amerikanische Filmzensur zu verhindern. Doch schon bald verselbständigte sich das Hays Office selbst zu einer Art Zensurbehörde. Der Code erlaubte unter anderem keine eindeutigen Darstellungen von Erotik, Sexualität und Promiskuität. Trotzdem schafften es die drei Frauen in jener Zeit, ihre Rollen selbst zu gestalten, ihren eigenen Stil zu finden und sich auf eigene Art gegen das Studiosystem zu behaupten und die Regeln des Hays Code zu unterwandern.
Die allesamt US-amerikanischen Produktionen im Programm der Retrospektive 2021 entstanden in den Jahren 1932 bis 1943, zur Blütezeit der Screwball Comedy. Sie zeichnen sich durch rasantes Tempo, raffinierte Handlungen und reichlich Wortwitz aus. Dabei spielten für die Filmauswahl sowohl filmhistorische als auch biografische Kriterien eine Rolle: Mae Wests Debütfilm Night After Night von Archie Mayo (1932) bildet den Auftakt der Reihe; mit dem frühen Tod Carole Lombards im Jahr 1942 neigt sich zugleich auch die Screwball Comedy ihrem Ende zu. Diese äußerst erfolgreiche Ära in der Geschichte Hollywoods birgt bis heute eine Aktualität, die in der Retrospektive zum Vorschein kommt.
Rainer Rother, Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek und Leiter der Retrospektive: „Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard bieten dem heutigen Publikum auch im Hinblick auf aktuelle Fragen Antworten. Sie erörtern zeitlose Themen wie die Vereinbarkeit von Liebe, Karriere und Partnerschaft und nehmen dabei auch Bezug auf ihre Sexualität. Die drei Schauspielerinnen bringen dies in ihren Filmen ganz wunderbar zum Ausdruck.“
Im Amerika der 1930er-Jahre werden Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard zu gesellschaftlichen Vorreiterinnen auf der Leinwand, besonders in Bezug auf die Nichtbeachtung vorherrschender Geschlechterrollen und deren Unterwanderung. Mae West thematisiert vor allem die (weibliche) Sexualität. Rosalind Russell steht in ihren Filmen immer wieder vor der Frage, wie Karriere und Liebe oder Karriere und Ehe miteinander zu vereinen sind. Und bei Carole Lombard besteht – wie auch heute noch bei vielen – der Wunsch, aus der Provinz in die Großstadt zu fliehen, um sich dort zu verwirklichen. Im realen Leben der Schauspielerinnen verhalf ihre Selbstbestimmtheit ihnen auch dazu, sich vom Studiosystem Hollywoods zu lösen und weiter zu entwickeln: Carole Lombard entschied sich 1936, als Freelancer zu arbeiten, Rosalind Russell war gleich für mehrere Studios tätig und Mae West forderte das Hays Office immer wieder hinsichtlich ihrer Außenwirkung heraus, was auch an den massiven Zensureingriffen in ihre Filme deutlich wird. In Klondike Annie von Raoul Walsh (1936), dem am stärksten zusammengekürzten Film von Mae West, durfte noch nicht einmal eine Bibel im Bild auftauchen.
Zur Retrospektive wird die folgende Publikation von der Deutschen Kinemathek herausgegeben:
Rainer Rother
No Angels – Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard
ca. 160 Seiten, deutsch/englisch, s/w-Abb., 15 Euro
Erscheint im Mai 2021, ISBN 978-3-96707-504-5
Für weitere Informationen siehe auch Pressemitteilung vom 15.10.2020.
Die Filme der Retrospektive (in chronologischer Reihenfolge)
Night After Night, USA 1932, von Archie Mayo
mit George Raft, Constance Cummings, Wynne Gibson, Mae West
No Man of Her Own, USA 1932, von Wesley Ruggles
mit Clark Gable, Carole Lombard, Dorothy Mackaill, Grant Mitchell
I’m No Angel (Ich bin kein Engel), USA 1933, von Wesley Ruggles
mit Mae West, Cary Grant, Gregory Ratoff, Edward Arnold
She Done Him Wrong (Sie tat ihm Unrecht), USA 1933, von Lowell Sherman
mit Mae West, Cary Grant, Owen Moore, Gilbert Roland
Belle of the Nineties, USA 1934, von Leo McCarey
mit Mae West, Roger Pryor, Johnny Mack Brown, John Miljan
Lady by Choice, USA 1934, von David Burton
mit Carole Lombard, May Robson, Roger Pryor, Walter Connolly
Twentieth Century (Napoleon vom Broadway), USA 1934, von Howard Hawks
mit John Barrymore, Carole Lombard, Walter Connolly, Roscoe Karns
Goin’ to Town, USA 1935, von Alexander Hall
mit Mae West, Paul Cavanagh, Gilbert Emery, Marjorie Gateson
Hands Across the Table (Liebe im Handumdrehen), USA 1935, von Mitchell Leisen
mit Carole Lombard, Fred MacMurray, Ralph Bellamy, Astrid Allwyn
Go West Young Man (Auf in den Westen), USA 1936, von Henry Hathaway
mit Mae West, Warren William, Randolph Scott, Alice Brady
Klondike Annie, USA 1936, von Raoul Walsh
mit Mae West, Victor McLaglen, Philip Reed, Helen Jerome Eddy
My Man Godfrey (Mein Mann Godfrey), USA 1936, von Gregory La Cava
mit William Powell, Carole Lombard, Alice Brady, Gail Patrick
Nothing Sacred (Denen ist nichts heilig), USA 1937, von William A. Wellmann
mit Carole Lombard, Frederic March, Charles Winniger, Walter Connolly
True Confession (Ein Mordsschwindel), USA 1937, von Wesley Ruggles
mit Carole Lombard, Fred MacMurray, John Barrymore, Una Merkel
Every Day’s a Holiday, USA 1938, von A. Edward Sutherland
mit Mae West, Edmund Lowe, Charles Butterworth, Charles Winninger
Four’s a Crowd (Liebe zu viert), USA 1938, von Michael Curtiz
mit Errol Flynn, Olivia de Havilland, Rosalind Russell, Patric Knowles
The Women (Die Frauen), USA 1939, von George Cukor
mit Norma Shearer, Joan Crawford, Rosalind Russell, Mary Boland
Hired Wife, USA 1940, von William A. Seiter
mit Rosalind Russell, Brian Aherne, Virginia Bruce, Robert Benchley
His Girl Friday (Sein Mädchen für besondere Fälle), USA 1940, von Howard Hawks
mit Cary Grant, Rosalind Russell, Ralph Bellamy, Gene Lockhart
My Little Chickadee (Mein kleiner Gockel), USA 1940, von Edward F. Cline
mit Mae West, W. C. Fields, Joseph Calleia, Dick Foran
Design for Scandal (Rache ist süß), USA 1941, von Norman Taurog
mit Rosalind Russell, Walter Pidgeon, Edward Arnold, Lee Bowman
Mr. & Mrs. Smith (Mr. und Mrs. Smith), USA 1941, von Alfred Hitchcock
mit Carole Lombard, Robert Montgomery, Gene Raymond, Jack Carson
This Thing Called Love, USA 1941, von Alexander Hall
mit Rosalind Russell, Melvyn Douglas, Binnie Barnes, Allyn Joslyn
My Sister Eileen (Meine Schwester Ellen), USA 1942, von Alexander Hall
mit Rosalind Russell, Brian Aherne, Janet Blair, George Tobias
Take a Letter, Darling (Liebling, zum Diktat), USA 1942, von Mitchell Leisen
mit Rosalind Russell, Fred MacMurray, Macdonald Carey, Constance Moore
To Be or Not to Be (Sein oder Nichtsein), USA 1942, von Ernst Lubitsch
mit Carole Lombard, Jack Benny, Robert Stack, Felix Bressart
What a Woman! (Eine Frau hat Erfolg), USA 1943, von Irving Cummings
mit Rosalind Russell, Brian Aherne, Willard Parker, Alan Dinehart
Presseabteilung
8. Februar 2021