Generation
15.12.2021
Generation 2022: Words Don't Come Easy
Die zehn Lang- und sieben Kurzfilme, die bisher für das Programm gewonnen werden konnten, stechen durch Eigenwilligkeit und Willensstärke ihrer Protagonist*innen hervor. Mal handelt es sich um schweigsame Charaktere, die dem Wort misstrauen, mal um furiose Rebell*innen, die lautstark um ihren Platz in der Welt kämpfen. Sie alle ringen auf ihre ganz eigene Art mit ihrem Leben – um einen Sinn, ein Ziel und einen Weg dorthin.
In An Cailín Ciúin (Das stille Mädchen) setzt die wortkarge Titelheldin der Gefühlskälte der Welt um sie herum ihre feinsinnige, poetische Beobachtungsgabe entgegen. Den gegenteiligen Weg geht die New Yorker Künstlerin Beba alias Rebeca Huntt. In einem audiovisuellen Feuerwerk bringt sich die selbstbewusste Regisseurin gegenüber einer rassistisch geprägten Welt in Stellung. Auch Humor, Fantasie und Schlagfertigkeit sind die Waffen, die die Filmemacher*innen ihren Held*innen in die Hand geben, um sich zu behaupten: In Millie Lies Low ist es der neuseeländische Galgenhumor, in Tytöt tytöt tytöt (Girl Picture) ist es die Schlagfertigkeit und die starke Freundschaft dreier Außenseiterinnen.
Beziehungen in Zeiten von Distanz und Veränderungen sind nicht leichter geworden, besonders, wenn man gleichzeitig erwachsen wird. Die Freiheit, anders zu lieben und die Schwierigkeiten, sich im Chaos der Gefühle nicht selbst zu verlieren, haben viele der diesjährigen Filmemacher*innen inspiriert. In Sublime hilft Manu die Rockmusik seiner Band, um seine emotionale Achterbahnfahrt gegenüber seinem besten Freud zum Ausdruck zu bringen. In Una aprendiz invisible (An Invisible Apprentice) fehlen einer jungen Rollschuhläuferin die Worte in einer Welt, in der die Erwachsenen ihren Kindern gegenüber lieber schweigen. In dem sanften und klugen dokumentarischen Kind Hearts gibt das Regie-Duo Olivia Rochette und Gerard-Jan Claes einen Einblick in das Innenleben eines jungen Paares, das sich mit seinen veränderten Gefühlen füreinander respektvoll auseinandersetzt. Die Welt steht still, aber die Erde dreht sich weiter. In Allons enfants (Rookies) tanzen sich Schüler*innen einer Pariser Tanzakademie alles von der Seele, was sie unten hält und am Fliegen hindert. Auf der Suche nach dem eigenen Ausdruck und dem eigenen Rhythmus rebellieren sie gegen die Schwerkraft und stecken mit ihrer unbezähmbaren Energie alle an.
Rückkehr ins Haus der Kulturen der Welt und Wiederaufnahme der Kurzfilme ins Programm
„Das Generation-Publikum hat die Kurzfilme und ihre Macher*innen schmerzhaft vermisst. So ist es eine besondere Freude, in der 45. Ausgabe von Generation die kurze Form wieder mit an Bord zu haben, nachdem im letzten Jahr pandemiebedingt auf sie verzichtet werden musste. Dass die Generation-Premieren und Filmgespräche wieder im Haus der Kulturen der Welt stattfinden werden, ist ein weiterer Anlass zur Vorfreude auf die Berlinale 2022“, kommentiert Sektionsleiterin Maryanne Redpath die positiven Veränderungen.
Bislang sind zehn Langfilme und sieben Kurzfilme eingeladen. Das vollständige Programm wird im Januar veröffentlicht.
Generation – Langfilme
Allons enfants (Rookies)
Frankreich
von Thierry Demaizière, Alban Teurlai
Weltpremiere / dokumentarische Form
HipHop als Sprache und Ventil der Jugend: Der Film begleitet die jüngste Klasse einer Tanzakademie auf ihrem Weg zu Profitänzer*innen. Viele der Schüler*innen kommen aus den sozialen Brennpunkten von Paris. Begleitet von einer pulsierenden, tanzenden Kamera, die die Zuschauer*innen mitten ins Geschehen hineinzieht, verhandelt der Film wie nebenbei Themen wie Herkunft, Verletzungen, Träume und Hoffnungen.
Beba
USA / Mexiko
von Rebeca Huntt
Europäische Premiere / Debütfilm / dokumentarische Form
Das bewegende Zeugnis einer New Yorker Künstlerin mit afro- und lateinamerikanischen Wurzeln: Mit ihrem poetisch-autobiographischen Film bricht Rebeca Huntt, alias „Beba“, auf, um der Welt ein stolzes, wütendes „This is my story. I am the lense“ entgegenzuwerfen. Eine starke Stimme zur Auseinandersetzung mit Herkunft – und das künstlerische Statement eines großen Talents.
An Cailín Ciúin (Das stille Mädchen)
Irland
von Colm Bairéad
mit Catherine Clinch, Carrie Crowley, Andrew Bennett
Weltpremiere
Irland 1981. Den Widrigkeiten eines Lebens in Armut auf dem Land begegnet die neunjährige Cáit mit stillem Rückzug in ihre eigene Welt: Sie ist feinsinnige Beobachterin der Schönheit der kleinen Dinge um sie herum. Als sie über die Ferien von ihrer überforderten, oft gefühlskalten Großfamilie zu einem älteren, kinderlosen Paar geschickt wird, erlebt sie vielleicht zum ersten Mal tiefe Zuneigung.
Comedy Queen
Schweden
von Sanna Lenken
mit Sigrid Johnson, Ellen Taure, Oscar Töringe
Internationale Premiere
Die schwedische Regisseurin Sanna Lenken (Gläserner Bär für Min lilla syster, Generation 2015) beweist erneut ihr Talent, sich filmisch leichtfüßig schwierigen Themen zu nähern. Im Zentrum ihrer neuen Arbeit steht die 13-jährige Sascha, die sich nach dem Tod ihrer Mutter dafür entscheidet, als Stand-up-Comedian zu reüssieren, damit ihr Vater wieder glücklich sein kann.
Kind Hearts
Belgien
von Olivia Rochette, Gerard-Jan Claes
Weltpremiere / dokumentarische Form
Mit dem Ende der Schule beginnt eine aufregende Zeit der offenen Horizonte. Der Film begleitet ein junges Paar durch diese Lebensphase der großen Umwälzungen und neuen Freiheiten. Die Gespräche bei ihrer Suche nach der Wahrheit hinter den sich ändernden Gefühlen füreinander sind selbstkritisch, sanft und absolut – der Soundtrack des Films ist volatil und sphärisch-schön.
Knor (Oink)
Niederlande / Belgien
von Mascha Halberstad
mit Hiba Ghafry, Matsen Montsma, Kees Prins
Weltpremiere / Debütfilm / Animation
Ein Traum geht für Babs in Erfüllung: ein eigenes Haustier! Zwar kein Hund, aber dafür ein lustiges Ferkel. Doch das Geschenk des Großvaters, ein gefallener Würstchenkönig, ist nicht ohne Hintergedanken. Ein mit großem Einfallsreichtum und detailverliebt in Szene gesetzter Stopp-Trick-Animationsfilm, der rasant komisch und emotional komplex erzählt wird.
Millie Lies Low
Neuseeland
von Michelle Savill
mit Ana Scotney, Jillian Nguyen, Rachel House
Internationale Premiere / Debütfilm
Von allen furios nach New York verabschiedet – und dann doch in Wellington geblieben! Mit Fantasie, Charme und typisch neuseeländischem Humor produziert Millie in ihrer Not gefakte Bilder ihres vermeintlich wilden Lebens in Übersee und postet sie für ihre Freund*innen im World Wide Web. Dabei erfährt sie als heimlicher Schatten ihres eigenen Lebens so einiges, das sie lieber nicht erfahren hätte.
My Father’s Truck (Papas Lieferwagen) - Leider kann der Film kurzfristig nicht im diesjährigen Festival gezeigt werden.
Vietnam
von Mauricio Osaki
mit Trung Anh, Nhu Quynh Nguyen, Kiều Trinh Nguyễn
Weltpremiere / Debütfilm
Da Nhis Großmutter krank ist, muss sie ihren Vater, den sie kaum kennt, bei seiner Arbeit als Lastwagenfahrer begleiten. In seinem Debütfilm verdichtet Mauricio Osaki Motive seines gleichnamigen Kurzfilms zu einer feinfühligen Beobachtung einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung. Dafür schickt er die beiden in seinem Roadmovie quer durch Vietnam, auf der Suche nach Versöhnung und einer gemeinsamen Zukunft.
Sublime
Argentinien
von Mariano Biasin
mit Martín Miller, Teo Inama Chiabrando, Azul Mazzeo
Weltpremiere / Debütfilm
Mit viel Zärtlichkeit, Subtilität und intimen Bildern erzählt Mariano Biasin (Gläserner Bär für El inicio de Fabrizio, Generation 2016) in seinem Langfilmdebüt vom Chaos der Gefühle eines 16-jährigen Musikers, der sich in seinen besten Freund verliebt. Die Musik und das Songwriting wird dabei zur Sprache des Protagonisten und des Films.
Tytöt tytöt tytöt (Girl Picture)
Finnland
von Alli Haapasalo
mit Aamu Milonoff, Eleonoora Kauhanen, Linnea Leino
Europäische Premiere
Rönkkö kriegt mit ihrem eigenwilligen Witz fast alle ins Bett, aber emotional bleibt es flau. Ihre Freundin Mimmi, die gerne auch mal zuschlägt, hat wider allen Erwartungen die große Liebe gefunden: die viel zu schöne Eisläuferin Emma. Ein fulminanter Film über die wunderbare Freundschaft dreier aufregender Charakterköpfe, die ausziehen, Beziehung und Gender neu zu buchstabieren.
Generation – Kurzfilme
Una aprendiz invisible (An Invisible Apprentice)
Argentinien
von Emilia Herbst
mit Moe Kaplan Arias, Cecilia Rainero, Agustín Mendilaharzu
Weltpremiere
Zu Hause schweigen die Erwachsenen, wenn die Dinge kompliziert sind und Inés, eine junge Rollschuhläuferin, fehlen die Worte, wenn es um ihre Gefühle geht. Die nahende erste Aufführung erfüllt sie mit Stolz, aber auch mit Unsicherheit. Dieser Film ist ein kleines Stück wahrhaftiges Kino, lebensnah und mit wunderschönen Bildern aus der Perspektive des Mädchens erzählt.
Au revoir Jérôme ! (Goodbye Jerome !)
Frankreich
von Adam Sillard, Gabrielle Selnet, Chloé Farr
mit William Lebghil, Alma Jodorowsky
Europäische Premiere / Animation
Ein Mann kommt in den Himmel, um dort seine Frau wieder in die Arme schließen zu können. Aber in dem äußerste merkwürdig-surreal anmutenden Paradies ist alles verwirrend anders als erwartet. Ein schillernd in Szene gesetzter Animationsfilm zwischen psychedelischem Trip, hintergründiger Melancholie und explosiver Phantasie.
Blaues Rauschen (Blue Noise)
Deutschland / Österreich
von Simon Maria Kubiena
mit Marvin Nando Nenning, Rainer Sellien, Lou von Gündell
Weltpremiere
Ein genau beobachtender Film über Körper und Berührungen, Nähe und Distanz: Der unnahbare Alex arbeitet in einer Lehrwerkstatt für Handwerker. Seine Freundin, die ihm gerne näherkommen würde, lässt der junge Mann nicht an sich ran. Anderen Begehren gegenüber ist er unsicher. Auf engem Raum, zwischen arbeitenden Körpern, werden Verhaltensweisen dechiffriert und die darunterliegenden Verletzungen freilegt.
Gavazn (Hirsch)
Iran
von Hadi Babaeifar
mit Ehsan Bakhshizadeh, Khodadad Bakhshizadeh, Arsalan Bakhshizadeh
Internationale Premiere
In stillen poetischen Bildern eines verschneiten ländlichen Irans erzählt der Film von einem kleinen Jungen, der hilflos mitansehen muss, wie sein kranker Bruder mit dem Tod ringt. Als die Eltern ihn zu Verwandten fortbringen, macht Ehsan sich auf den Weg durch die verschneite Nacht heim, um den Bruder gegen den Engel des Todes zu verteidigen.
Ich habe keine Angst! (I’m Not Afraid!)
Deutschland / Norwegen
von Marita Mayer
mit Frede Mayer-Gulliksen, Katharina Welzl, Justus Raphael Velte
Weltpremiere / Animation
Als Vanja die große Schwester sucht, die sich versteckt hat, macht Vanja alles Angst: Die Riesenschlange, die im dunklen Hof lauert und der Keller, aus dem merkwürdige Geräusche dringen. Dieser kunstvolle Animationsfilm erzählt von der Kraft der Fantasie, die aus Schatten Monster macht, die aber auch die Fähigkeit verleihen kann, ein wahrer Tiger zu werden, der sich vor nichts fürchtet.
Nada para ver aqui (Nothing to See Here)
Portugal / Belgien / Ungarn
von Nicolas Bouchez
Weltpremiere / dokumentarische Form
Menschenleere Viertel, eine geisterhafte Stimme aus der Sprechanlage, eine bevorstehende Eclipse und über allem die Kondensstreifen der vorbeiziehenden Flugzeuge am Himmel. Im alltäglichen, (allzu-)menschlichen Panorama des Alltags im Portugal dieser Tage, werden in der magischen Reduktion die kunstvoll arrangierten Sequenzen eingefangen, kleine Störungen sind immer mit inbegriffen.
Vlekkeloos (Spotless)
Niederlande
von Emma Branderhorst
mit Alicia Prinsen, Astrid van Eck, Wendy Ruijfrok
Internationale Premiere
Rubys Mutter steckt in einer finanziellen Notlage. Da will das Mädchen sie nicht auch noch mit dem Kauf von Tampons behelligen. Durch Rubys verzweifelte Versuche, ohne Tampons durch ihre „Tage“ zu kommen, bringt sie sich in Teufels Küche. Ein mutiger, lebensechter Film über Armut mitten unter uns und ihre ganz konkreten Folgen.
Presseabteilung
15. Dezember 2021