Generation

17.01.2024
Lieder von Gewalt und Liebe

Deba Hekmat in Last Swim von Sasha Nathwani

Der Wettbewerb von Generation 14plus eröffnet mit der Weltpremiere von Sasha Nathwanis Spielfilmdebut Last Swim. Im Zentrum des Films steht für einen Tag und eine Nacht die junge britisch-iranische Abschlussschülerin Ziba. Während die Verkündung der Prüfungsergebnisse naht, ringt die ambitionierte Teenagerin mit den Konsequenzen einer lebensverändernden Diagnose. Der Film verbindet einen authentischen Blick auf die Gegenwart Londons mit dem Porträt einer jungen Frau, die ihre Träume und Beziehungen neu justieren muss.
Eröffnungsfilm von Generation Kplus 2024 ist Sieger Sein von Soleen Yusef. Der zweite Spielfilm der Regisseurin folgt mit viel Witz und Charme einer elfjährigen kurdischen Geflüchteten und leidenschaftlichen Fußballspielerin durch den unübersichtlichen Schulalltag im Berliner Wedding.
Beide Filme verbindet eine Unerschrockenheit im Blick auf Herausforderungen und Verletzungen, aber auch eine hoffnungsvolle Energie, das Leben in seiner Fragilität zu feiern.

„Angesichts des Zustands der Welt, der nicht nur aus der Sicht junger Menschen katastrophisch erscheint, stellt sich immer wieder die Frage, was Kino als Kunst und als sozialer Ort sein kann. Das Programm ist unser Versuch einer Antwort: Filme, die die Risse, die durch die Welt gehen aufzeigen und begreifbar machen, Filme, die Formen finden, um Dinge sichtbar und sagbar zu machen, Filme, die Bilder entwerfen, die der Stoff sein können, mit denen sich manche der Risse zusammenfügen lassen“, kommentiert Sektionsleiter Sebastian Markt.

In der dokumentarischen Arbeit Maydegol begleitet Sarvnaz Alambeigi eine Kickboxerin, die aus Afghanistan nach Iran geflüchtet ist. Mit empathischem, respektvollem Blick porträtiert sie eine junge Frau, die im privaten Bereich der Familie wie im weiteren Umfeld nicht müde wird, mit erstaunlicher Resilienz für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen, und bietet dabei einen aufschlussreichen Blick in die iranische Gegenwart.
Einen ganz eigenen Freiraum schaffen sich selbst und einander zwei junge Frauen, die beide noch von den Nachwirkungen schwerer Erkrankungen gezeichnet sind in Quell’estate con Irène (My Summer with Irène). Nah an der Natur und verwundeten Körpern erzählt, verbindet sich in Carlo Sironis Film die präzise Schilderung ihrer Beziehung mit metaphorischer Offenheit.
Zwei Filme im Programm formulieren Entwürfe von Coming-of-Age-Erzählungen, die in einem emphatischen Sinne queer sind: Aus der philippinischen Peripherie erzählt Ryan Machados Huling Palabas (Fin) von einem filmbegeisterten jungen Mann, der seinen Vater sucht, aber zunächst zwei jungen Männern und der kleinen queeren Szene seiner Stadt begegnet, was unberechenbare Kräfte des Begehrens freisetzt. In Anthony Schattemans Spielfilmdebut Young Hearts (Junge Herzen) verliebt sich der 13-jährige Elias in seinen neuen Nachbarn und muss, bevor er Ausdruck für seine ungeahnten Gefühle finden kann, erst zu sich selbst finden.

Ins krisengeschüttelte Jahr 1992 in Peru reicht Reinas der Schweizer Regisseurin Klaudia Reynicke zurück. Inmitten der prekären gesellschaftlichen Lage zeichnet Reynicke anhand zweier Schwestern ein vielschichtiges, autobiografisch inspiriertes Bild eines familiären Moments, in dem sich nicht nur die politische Landschaft entscheidend verändert.
Ebenfalls in Peru angesiedelt, erzählt Franco García Becerras Raíz (Durch Felsen und Wolken) von dem achtjährigen Alpakahirten Feliciano. Zwischen den Bergen und Flüssen und nah an seiner Perspektive schildert der Film den Kampf der indigenen Gemeinschaft gegen eine zerstörerische Minengesellschaft, während zugleich alle der Qualifikation Perus für die Fußballweltmeisterschaft entgegenfiebern.
Xiao Ban Jie (The Great Phuket) ist ein Stadtteil einer südchinesischen Stadt und Schauplatz von Yaonan Lius Debütfilm, in dem sich elegant soziale Realität und das in Animationssequenzen eingefangene Fantasieleben eines Teenagers mischen. Inmitten von Ruinen und Baustellen findet Li Xing einen geheimen und geheimnisvollen Bunker, der zu einem Zufluchtsort vor einer Welt in rasantem Umbruch wird.
In Kim Hye-youngs fulminantem Tanzdrama It’s Okay! formt sich eine unwahrscheinliche Beziehung zwischen einer quirligen, verwaisten Schülerin und einer rigiden Rektorin. Beide Frauen verarbeiten ihre ganz eigenen Verwundungen, bis sich unmerklich und einstimmig vernehmen lässt: Es ist Okay!

Neun weitere Filme vervollständigen die Kurzfilmwettbewerbe und eröffnen ein weites Feld aus vielgestaltigen, filmischen Formen, die von der Konfrontation mit den Mächten der Geschichte und privaten Momenten der Selbsterfindung erzählen.
In Papillon (Schmetterling) schafft Florence Miailhe in einer Ölmalerei-Animation auf Glas Übergänge von Geschichte, Erinnerung und Gegenwart, die aus dem Leben eines jüdischen Schwimmers erzählen, der sich vor dem Terror der nationalsozialistischen Gewalt behauptet.
Mit einem neuen Film kehrt Hadi Babaeifar (Gavazn, Generation Kplus 2022) zurück nach Berlin. Im Zentrum der eindringlichen Bilder von Goosfand (Schaf) steht ein junges Mädchen in Teheran, dem angesichts eines bevorstehenden Festes Zweifel am Sinn von Traditionen kommen. Der Tod der Großmutter verändert die Stimmung im Haus der Familie: Eine Fünfjährige macht im indischen Kurzfilm Anaar Daana (Sour Candy) eine Schwellenerfahrung. Uli erzählt von einer Zufallsbegegnung, die für die Protagonistin Geschlechtereindeutigkeiten schwinden lässt und neue Freiheiten eröffnet. In einer kubanischen Volleyballmannschaft hat nach einem Todesfall Trauer wenig Platz. Dafür schafft Un Pájaro Voló einen ganz eigenen filmischen Raum. An der Peripherie einer chinesischen Großstadt fasst ein Junge den Plan, mit neuer Frisur in die weiterführende Schule zu starten, und lässt am Ende mehr als nur Haare zurück: A Summer’s End Poem. Von Ängsten und Selbstfindung an ungewöhnlichen Orten weiß die indische Animation The Girl Who Lived In The Loo auch visuell ein originelles Lied zu singen. Inmitten der sengenden Hitze von Veracruz entspinnt sich in Aguacurario eine Beziehungskomödie unter Zehnjährigen. An einem nicht minder heißen Sommerabend in Belgien plant Clemént seine Jungfräulichkeit zu verlieren, doch das Grindr-Date verläuft anders als geplant: Un invincible été (Unschlagbarer Sommer) - eine queere Coming-of-Age-Miniatur zwischen Begehren und Fürsorge. Und in Nepal geht ein Radiomoderator der Welt verloren, über Nachrichten im Off entsteht ein vielschichtiger Essay über Liebe und ihre Bedingungen: Songs Of Love and Hate.

Das Programm von Generation umfasst 2024 34 Titel, darunter sieben Langfilmdebüts und 24 Weltpremieren.


Presseabteilung
17. Januar 2024