1982
32. Internationale Filmfestspiele Berlin
12. – 23. Februar 1982
„Wohin mit den Mänteln, wo sich zurechtmachen, wo die Utensilien lassen, wo einen Spiegel finden. Sowas ist unwichtig? Keineswegs. Es macht Berlin zum Pullover-Festival, und daran ist das Business nicht interessiert.“ – (Helma Sanders-Brahms, Filmregisseurin und Jurymitglied, im Abschlussbericht 1982
Wiedergutmachung
Der Dialog mit den bundesdeutschen Filmemachern, die im Jahr zuvor noch mit Boykott gedroht hatten, war in Gang gekommen. Moritz de Hadeln hatte den Leiter der inzwischen an die Filmmesse angegliederten Reihe „Neue Deutsche Filme“, Heinz Badewitz, mit mehr Kompetenzen und einem eigenen Einladungsetat ausgestattet. Insgesamt liefen fast 90 bundesdeutsche Produktionen im Festival, davon allein fünf im Wettbewerb. Der Goldene Bär an Rainer Werner Fassbinders Die Sehnsucht der Veronika Voss erschien da wie eine doppelte Wiedergutmachung: für den deutschen Film und für Fassbinder, der zuvor – mit Fontane Effi Briest und Die Ehe der Maria Braun - zweimal leer ausgegangen war.
Polemische Scharmützel um Night Crossing
Im Vorfeld der Berlinale hatte es jedoch wieder einmal polemische Scharmützel gegeben. Ähnlich wie 1980, als de Hadeln den Film Die wunderbaren Jahre des DDR-Dissidenten Reiner Kunze aus künstlerischen Gründen abgelehnt hatte, rief nun seine Ablehnung der Disney-Produktion Night Crossing erneute deutsch-deutsche Polemiken hervor. Der Film erzählt die Geschichte einer Flucht aus der DDR mit einem Heißluftballon, die sich 1979 tatsächlich zugetragen hatte. De Hadeln verband in seiner Ablehnung künstlerische Argumente mit politischen Bedenken gegen den Film und brachte damit den Generaldirektor der Fox, Hellmuth P. Gattinger, und die konservative Presse gegen sich auf.
In einer von Gattinger geschürten und weidlich ausgeschlachteten Hetzkampagne wurde de Hadeln sinngemäß „Feigheit vor dem Feind“ vorgeworfen und mit den mutigen Flüchtlingen auch gleich der Film heroisiert. Nachdem sich kurz zuvor in Berlin das politische Blatt zugunsten der CDU gewendet hatte, blieb die Kampagne nicht ohne Echo auf Seiten des Senats. De Hadelns Position wurde wieder einmal in Frage gestellt, der Bundesinnenminister fühlte sich veranlasst eine Lanze für ihn zu brechen und sogar Bundespräsident Richard von Weizsäcker nahm öffentlich in der Debatte Stellung - auf sehr diplomatische Weise für de Hadeln und dessen künstlerische Unabhängigkeit.
De Hadeln hatte sich behauptet. Nach außen erschien er wieder einmal als glücklos agierender Festivalleiter, nach innen jedoch verschaffte er sich das Vertrauen seiner Mitarbeiter und auch den Respekt zumindest der seriösen Kritiker seiner Arbeit. Die vom Axel-Springer-Verlag gesponsorte Sondervorführung von Night Crossing zeitgleich zur Eröffnung der Berlinale erschien schon vielen Zeitgenossen nur noch als geschmacklose Propagandaveranstaltung. Konstruktiver schien da zum Beispiel die in das Kinderfilmfest integrierte Retrospektive „Kinderfilme aus der DDR“, der in der Fachpresse eine intensive Auseinandersetzung mit der Kinderfilmproduktion der Defa folgte.
Der Glanz früherer Tage - und wachsender kommerzieller Druck
Die Berlinale wartete in diesem Jahr mit einem beeindruckenden Staraufgebot auf: Lino Ventura, Jeanne Moreau, Claudia Cardinale, Franco Nero, Sally Field, Brigitte Fossey, Michel Piccoli und Ingrid Thulin verschafften der Berlinale eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit und brachten etwas von dem Glamour zurück, den viele in Berlin vermissten. Auch James Stewart, dem die Hommage gewidmet war, und vor allem der Besuch von Joan Fontaine, die in diesem Jahr die Jurypräsidentschaft übernommen hatte, erinnerten an den Glanz früherer Tage: Alfred Hitchcocks Rebecca hatte 1951 die erste Berlinale eröffnet und Joan Fontaine war schon damals der Star des Festivals gewesen.
Unter de Hadeln zeichnete sich ein wieder erstarktes Interesse der amerikanischen Filmindustrie an der Berlinale ab, wodurch auch der kommerzielle Druck auf das Festival zunahm. Im Vorfeld hatte es einiges Hinundher um einzelne Filme gegeben, bei denen die kommerziellen Spekulationen der Verleihfirmen eine Rolle gespielt hatten. Viele kritisierten die „Amerikanisierung“ der Berlinale, übersahen dabei aber bisweilen die große Bandbreite, mit der sich das amerikanische Kino in Berlin präsentierte. Auch die Independents und der Underground waren auf der Berlinale vertreten, vor allem im Forum, zunehmend auch in der Info-Schau, die unter Manfred Salzgeber an Profil gewann und zu einer eigenen Sektion wurde.
Schwerpunkt asiatisches Kino in der Info-Schau
In diesem Jahr präsentierte Salzgeber einen starken asiatischen Schwerpunkt und stellte eine neue Generation von Filmemachern aus Korea, Hongkong und China dem Berlinale-Publikum vor - darunter Im Kwon-Taek, der mit Mandala seinen ersten von vielen folgenden Auftritten auf der Berlinale hatte. Eine Reihe mit indonesischen Filmen ergänzte diesen Schwerpunkt und machte Salzgebers auf Innovation und Entdeckung ausgerichtete kuratorische Handschrift sichtbar.