Winnipeg, Winnipeg, Winnipeg. „Wir Winnipegger sind so benommen von Nostalgie.“ In ihrer Benommenheit werden sie zu Schlafwandlern. Davon gibt es so viele, dass es eine Gesetzgebung gibt: Wenn sie kraft ihrer unergründlichen Seelenverwandtschaften nachts in ihren alten Häusern auftauchen, muss der neue Bewohner sie beherbergen. My Winnipeg ist ein schlafwandlerischer Traum: Während der Arbeit an dieser Autobiografie, die eins ist mit der Biografie jenes verschneiten Ortes in der kanadischen Provinz Manitoba („a city just 4 years older than my grandmother“), fand Maddin sich im Haus seiner Kindheit wieder. Darsteller posieren als Brüder, Schwester und Familienhund im Wohnzimmer. Im Hintergrund die Mutter wie ein lebendes Bild. Die neue Bewohnerin, eine ältere Dame, bewegt sich nicht aus ihrem Sessel. Reist man in Winnipeg in die Vergangenheit, weicht einem die gealterte Gegenwart nicht von der Seite. Die passiv-aggressive Mutter kennen wir aus „Brand Upon the Brain!“. Dort behielt sie durch ein riesiges Fernglas die Kontrolle, hier blickt sie (in Übergröße) prüfend in die Fenster der kanadischen Eisenbahn, deren Knotenpunkt Winnipeg ist. Guy Maddins neuer Film beweist, dass man angesichts seines Gesamtwerkes von einem Maddin’schen Genre sprechen darf: tiefgründig, verstörend, und darin urkinematografisch.
Stefanie Schulte Strathaus
Stefanie Schulte Strathaus
Weltvertrieb
Maximum Films International