Nach einem Auslandseinsatz in Afghanistan kehrt der 25-jährige Bundeswehrsoldat David in sein Heimatdorf im Schwarzwald zurück. Es gelingt ihm jedoch nur äußerlich, an sein früheres Leben anzuschließen. Seine Familie und seine Freundin müssen bald erkennen, dass David von einer inneren Unruhe geplagt wird, die vor allem gegenüber seinem achtjährigen Halbbruder Benni zum Ausdruck kommt. Zwischen den beiden verschwimmen die Grenzen von Spiel und Gewalt, bis sie außer Kontrolle geraten. Brigitte Bertele zeichnet in ihrem Debüt mit Präzision das Psychogramm eines jungen Mannes, der als Soldat in eine existenzielle Extremsituation geraten ist und anschließend vergeblich versucht, sich in seiner Umwelt weiterhin zurechtzufinden. Bertele besitzt das außergewöhnliche Talent, Unsichtbares auf der Leinwand abzubilden. Es gelingt ihr, die seelischen Zustände und Traumata ihres Protagonisten offenzulegen und dem Zuschauer sogar unterbewusste Verdrängungsmechanismen vor Augen zu führen. Nacht vor Augen liefert zugleich einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über den Einsatz deutscher Soldaten in Kriegsgebieten, die sich – geografisch weit entfernt von Deutschland – zwar regional eingrenzen lassen, nicht jedoch in ihren psychologischen Ausmaßen.
Ansgar Vogt
Ansgar Vogt