Als Vacek morgens aufsteht, hat seine Mutter schon das Haus verlassen. Er läuft ihr hinterher und begleitet sie einen Tag lang dabei, alle notwendigen Papiere für einen Ausreiseantrag zusammenzubekommen. Mutter und Sohn wollen nach Großbritannien, wohin der Vater emigriert ist. Ausschnitte aus Briefen der Mutter an den Vater im Off geben Hinweise auf die Familiengeschichte und zeugen von der Verbundenheit zwischen den Eltern. Václav Kdrnkas Film trägt autobiografische Züge und ist historisch genau verortet: Er spielt am 29. März 1987 in der Tschechoslowakei. Die Farben, die Innenausstattung, die Drehorte sind mit Sinn für Details gewählt und machen so die Zeitstimmung spürbar. Dennoch ist Osmdesát dopisů kein gewöhnlicher Geschichtsfilm, der Nachhilfeunterricht zu vergangenen Zeiten erteilt. Zwar gelingt es ihm mit einem außerordentlichen Gespür für Einstellungsgrößen, Bilddetails und Dauer sehr eindringlich, das Ausgeliefertsein an die Bürokratie spürbar zu machen. Doch darüber hinaus spricht er sehr sensibel von zwei Menschen an der Schwelle zu einem ungewissen Aufbruch mit allen damit verbundenen Unsicherheiten und Verlusten. Und diese Verknüpfung von historischer Präzision und persönlichem Erleben macht ihn zu einem Kunstwerk.