Les Choses et les Mots de Mudimbe
Mudimbe's Order of Things

Les Choses et les Mots de Mudimbe | Mudimbe’s Order of Things von Jean-Pierre Bekolo
CMR 2014, Forum Expanded
© Jean-Pierre Bekolo
Der Film ist ein ungewöhnliches Porträt von einem der bekanntesten Filmemacher Kameruns. Eine „Einführung, Entführung, Verführung“ (Dorothee Wenner) in das Werk und das Denken Mudimbes. Angelegt wie ein Buch, in dem stets neue Kapitel aufgeschlagen werden, jeweils mit handschriftlichen Texttafeln eingeführt, lässt sich der Film im wahrsten Sinne des Wortes ein, auf ein höchst komplexes Denken, eine geradezu weltumspannende Biographie. Das Haus, in dem Mudimbe wohnt, wird zur behausenden Architektur dieses Lebens und Denkens und damit des Films: die Kamera wird es erst zum Schluss verlassen, in einer Einstellung verharrend, die als Einladung zu verstehen ist. Der Film entfaltet sich gerade in seiner Beharrlichkeit einer Architektur wechselnder Perspektiven, schafft Anordnungen, verfolgt Sammlungen, die das Wissen und das Denken Mudimbes verkörpern: niemals abgeschlossen, stets in Verbindung (‚Rélations‘, würde Édouard Glissant das nennen). So sind das Haus, Mudimbes Erzählungen und Verweise, und damit der Film angefüllt mit Büchern, Fotos – von Familie und Weggefährten und Freunden –, Erinnerungen, Diplomen, zahllosen Objekten, Statuen, und technischen Geräten. Ein ganzes Jahrhundert umspannend, und dabei stets offen für alles, für Altes wie Neues. Es geht um Hegel, Derrida, Aristoteles, um Hannah Arendt, Clifford Geertz, Pierre Bourdieu – und der Titel verrät es – um Foucault; um die Berliner Afrika Konferenz, um die philosophische Entstehung des ‚Rasse’gedankens während der deutschen Kolonialperiode Ruanda/Burundi. Um afrikanische Philosophen und um eine kritische Untersuchung okzidentaler Wissensproduktion. Darum geht es vor allem und immer wieder: wie Wissen entsteht, gelehrt wird, wie es sich vermittelt. Mudimbe stellt faszinierende Querverbindungen her, eine stets kritische, stets neugierige Weise, Geschichte und Gegenwart zu ‚lesen‘, zu analysieren. Dabei kommt auch seine private Geschichte ins Spiel, als Sohn von Eltern verschiedener ‚Ethnien‘, von den Benediktinern ausgebildet (der Vergleich verschiedener Religionen kommt ebenfalls zur Sprache). Sein Denken, seine Lehre, seine Forschung ist für ihn nicht Selbstzweck, so
Dorothee Wenner, „aber meint wohl auch sich selbst, wenn er sagt, dass Philosophen ‚fürs System‘ eigentlich stets besser tot sind – sonst rühren sie auf.“
Bekolo zeigt sich erneut als kongenialer Porträt-Filmemacher. Wie schon bei seinem ähnlich ungewöhnlichen – radikal kurzem – Porträt Djibril Diop Mambétys (La grammaire de ma grand-mère, F 1996) kreiert er ein Mise-en-scène der Rede und stets möglichen Gegenrede, der “möglichen Begegnungen ... mit der Frage, was Film vermag und wie er mit jemandem, mit anderen und anderem zusammen etwas erzählt“ (Brigitta Kuster). Ein ungewöhnlicher Film, faszinierend wie das Objekt/Subjekt seiner Erzählung, opulent, sensibel, klug und radikal. Eine weitere Station postkolonialen, kosmopolitischen Filmschaffens.
(Nanna Heidenreich)

Jean-Pierre Bekolo, Hélène Marie Gutberlet
Der Regisseur im Gespräch mit der Filmwissenschaftlerin und Kuratorin.
Les Choses et les Mots de Mudimbe · Forum Expanded · 10. Februar 2015