Can’t you see them? – Repeat.

Sarajevo während der Belagerung 1992: Eine Gruppe von bewaffneten Männern läuft am Ufer des Flusses Miljacka entlang. Ein Mann wird abgeführt, die Gruppe durchquert den Fluss. Das angrenzende Viertel Grbavica steht kurz vor der Übernahme durch die Serben. Die Aufnahmen wurden von einem Mann gemacht, der die Bewaffneten aus einer Wohnung in einem angrenzenden Hochhaus filmte, ohne zu wissen, wer sie waren. Sind es Serben, Bosniaken? Seine Kamera wackelt, sucht, verfolgt, zieht sich zurück.
Die Künstlerin Clarissa Thieme findet den Mann, der den Film gedreht hat, und lässt sich von ihm noch einmal erzählen, wie es dazu kam. Mithilfe eines Motion-Tracking-Programms führt sie eine Metadatenanalyse des Originalclips durch und berechnet Kameraposition und -bewegung. Diese Daten speist sie in ein Motion-Control-System, das Licht auf eine Leinwand wirft. Licht, das sich bewegt, die Richtung ändert, zittert.
Im Spannungsfeld von Erzählung, dokumentarischem Material und Licht, auf eine Leinwand geworfen, entsteht ein Resonanzkörper: ein Körper, voller Angst und Furcht, ein im Krieg versehrter Körper. Ein Körper, der nun erfahrbar wird. Erinnerung wird erfahrbar und sichtbar. Das Trauma steigt aus dem Hochhaus auf die Leinwand und erreicht den Zuschauer.
von Clarissa Thieme
mit Nedim Alikadic
Deutschland / Bosnien und Herzegowina 2019 Bosnisch, Englisch 8’ Farbe Weltpremiere | Dokumentarische Form

Mit

  • Nedim Alikadic (Off-Stimme)

Stab

Regie, Buch Clarissa Thieme
Kamera Till Beckmann
Montage Clarissa Thieme
Sound Design Christian Obermaier, Jochen Jezussek
Archivbilder Nedim Alikadic
In Zusammenarbeit mit Library Hamdija Kresevljakovic Video Archive Sarajevo

Zusatzinformationen

Can’t you see them? – Repeat. wird ebenfalls im Rahmen des Forum Expanded Programms als Installation gezeigt.

Clarissa Thieme

Geboren 1976 in Oldenburg. Sie studierte Medienkunst sowie Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis. Thieme arbeitet in den Bereichen Film, Fotografie, Performance, Installation und Text und verbindet dokumentarische und fiktionale Formen, wobei sie sich auf Prozesse der Erinnerung, Identitätspolitik und Übersetzungsstrategien konzentriert.

Filmografie

2010 Was bleibt; 30 Min., Forum Expanded 2010 · Was bleibt | Sta ostaje | What remains; 30 Min., Forum Expanded 2010 2012 The Place We Left; 60 Min. 2013 Resort; 15 Min. 2016 Die DDR hat es nie gegeben / Appell; 4 Min. 2018 Today is 11th June 1993; 15 Min., Forum Expanded 2018 2019 Can't You See Them? – Repeat.; 8 Min., Forum Expanded Exhibition 2019 · Can't You See Them? – Repeat.

Stand Bio- & Filmografie: Berlinale 2020