Merry Christmas Deutschland oder Vorlesung zur Geschichtstheorie II

Anfang der 1980er-Jahre studierte der aus Haiti stammende Regisseur Raoul Peck an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Sein während des Studiums entstandener Film Merry Christmas Deutschland oder Vorlesung zur Geschichtstheorie II ist ein scharfsinniger Essay, in dem sich jener spezifische Dokumentarstil ankündigte, der in späteren Werken zur Entfaltung kommen sollte. In 18 verdichteten Minuten kontrastiert Peck abgefilmte Fernsehübertragungen von Bundestagsdebatten mit Aufnahmen betongrauer Berliner Nachkriegsarchitektur, hin und wieder um Solarisations- und andere experimentelle Effekte ergänzt, und spielt dazu Musik von Vivaldi, Miles Davis sowie Audioaufnahmen unklarer Herkunft, in denen vom Einkaufen und dem Wunsch nach Weltfrieden die Rede ist. Statt einer Erzählstimme in der ersten Person wählt Peck ironische Wörterbuchdefinitionen als Zwischentitel, „Optimismus“, „Demokratie“, dazu Zitate, u. a. des preußischen Generals Clausewitz, „die Kriege gebildeter Völker“ seien „viel weniger grausam und zerstörend als die der ungebildeten“ – ein Trugschluss, gegen den sich Peck nicht nur damals, sondern auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder entschieden verwahrt hat.
von Raoul Peck Bundesrepublik Deutschland 1985 Deutsch 18’ Farbe & Schwarz-Weiß Dokumentarische Form

Stab

Regie, Buch Raoul Peck
Kamera Raoul Peck
Montage Raoul Peck
Produktionsleitung Liselotte Wawiloff

Produktion

Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB)

Raoul Peck

Geboren 1953 in Port-au-Prince, Haiti. Peck ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur und studierte Film. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1991 mit dem Dokumentarfilm Lumumba: La mort du prophète. 1996 und 1997 war Peck Kulturminister in Haiti. Er war mehrmals Gast der Berlinale, zuletzt 2017 mit I Am Not Your Negro und Le jeune Karl Marx.

Filmografie

1985 Merry Christmas Deutschland oder Vorlesung zur Geschichtstheorie II 1988 Haitian Corner 1991 Lumumba: La mort du prophète (Lumumba – Death of a Prophet); Dokumentarfilm 1993 L’homme sur les quais (The Man by the Shore) 1994 Desounen: Dialogue with Death; Dokumentarfilm · Haiti – Le silence des chiens (Haiti, Silence of the Dogs); Dokumentarfilm 2000 Lumumba 2001 Profit & Nothing But! Or Impolite Thoughts on the Class Struggle; Dokumentarfilm 2005 Sometimes in April 2009 Moloch Tropical; IFB Berlinale Special 2012 Assistance mortelle (Fatal Assistance); Dokumentarfilm 2014 Meurtre à Pacot (Murder in Pacot); IFB Panorama 2016 I Am Not Your Negro; Dokumentarfilm 2017 Le jeune Karl Marx (The Young Karl Marx)

Stand Bio- & Filmografie: Berlinale 2022