Forum & Forum Expanded
09.01.2025
Forum Expanded 2025: Methods of Translucence
Für seine 20. Ausgabe versammelt das Forum Expanded 24 filmische Arbeiten aus 21 Ländern. In den ausgewählten Arbeiten, die Installationen, Filme, Videos und Skulpturen umfassen, nähern sich ihre Macher*innen den katastrophischen Realitäten der Gegenwart mittels unterschiedlicher Stadien der Transparenz. Ob sie sich mit persönlicher oder kollektiver Geschichte auseinandersetzen, mit den anhaltenden Kriegen, Extraktivismus, dem Nachhall kolonialer Strukturen oder mit sozialer Ungleichheit – oftmals sind ihre künstlerischen Ansätze eher interventionistisch als beobachtend. Sei es mit getöntem Glas, virtueller Realität, historischer Spekulation oder akustischer Abstraktion: Ihre Arbeiten projizieren aktiv Ideen, Bilder und Töne, die die Erfahrung der Realität verändern und unseren Blick auf die Welt umlenken. Sie zeigen mit Nachdruck, was fehlt, indem sie unsere Sicht verändern und das, was außerhalb oder jenseits unserer Wahrnehmung liegt, deutlich in Erscheinung treten lassen.
Neda Saeedi illuminiert mit ihrer Installation Sinking Suns die Ausstellungsräume von Forum Expanded in der Betonhalle des silent green mit zerbrechlichen, betörenden Lichtlandschaften. Skulpturale Objekte aus getöntem Glas und Tageslichtprojektoren strahlen eine bedrohliche Schönheit aus, die einerseits als Portal in eine andere Welt erscheint, uns andererseits aber auch mahnt, dass Sonnenuntergänge immer dann am spektakulärsten wirken, wenn die Luft besonders verschmutzt ist.
Weitere Installationen in der Ausstellung nutzen und erforschen ebenfalls Methoden der visuellen Verschiebung, etwa Alisa Bergers Video- und VR-Diptychon RAPTURE, dessen Protagonist in die Wohnung seiner Kindheit und Jugend transportiert wird, einen Ort, den er nur noch virtuell betreten kann. Ginan Seidls 3-Kanal-Video J-N-N untersucht die unsichtbare Präsenz geisterhafter Dschinns in Geschichte und Gegenwart des Irak. Außerhalb der Ausstellungshalle werden die Smartphones der Besucher*innen selbst zur Linse. Durch sie wird die Augmented-Reality-Installation Alternatives Denkmal für Deutschland (ADfD) erfahrbar – ein auf kollektiver Recherche basierendes Denkmal für die Migrationsgesellschaft in Deutschland.
In der Kuppelhalle des silent green eröffnet die außergewöhnliche Präsentation von Wilfred Buck’s Star Stories, eine Kuppelprojektion von Lisa Jackson und The Macronauts, einen immersiven Zugang zu indigener Astronomie. Der Ininew-Astronom Wilfred Buck leitet uns durch vier Geschichten aus der Kosmologie der Cree. Eine Videoinstallation im Marshall McLuhan Salon der Botschaft von Kanada erweitert die Arbeit und bietet zusätzliche Einblicke in Bucks Denken und Recherchen. Das Projekt wird in Kooperation mit der Kanadischen Botschaft und mit freundlicher Unterstützung des Indigenous Screen Office sowie des Canada Media Fund präsentiert.
Auch im diesjährigen Filmprogramm ist der Blick in die Sterne zu finden: Riar Rizaldis Film Mirage: Eigenstate nutzt Carl Sagans US-Fernsehklassiker Unser Kosmos als Folie, um die Dominanz westlicher Wissenschaft auszuhebeln und andere Arten der Interpretation der Realität zu erforschen, etwa den tropischen Mystizismus der Sufi.
Kevin Jerome Everson wiederum richtet seine 16-mm-Kamera für When the Sun is Eaten (Chi’bal K’iin) direkt in die Sonne, um eine Sonnenfinsternis in drei unterschiedlichen Zeitzonen Nordamerikas zu dokumentieren.
In Pidikwe spekuliert Caroline Monnet über eine alternative Kulturgeschichte, die Beiträge indigener Akteur*innen zu Kunst und Kultur würdigt und feiert. Ihr performativer Kurzfilm bringt Tanz als Wissenssystem und in Gemeinschaft verwurzeltes Mittel der Heilung ins Spiel.
Auch in Stéphanie Lagardes Extra Life (and Decay) entsteht gemeinschaftliches Handeln über Generationen, Klassen, Gender, sogar Spezies hinweg. Der vielschichtige Kurzfilm verbindet Überlegungen zur Kernfamilie mit Betrachtungen zu bewirtschafteten Wäldern als kontrollierbare, normierte Einheiten der Gewinnschöpfung. Gastfreundschaft wird zum Überlebenswerkzeug, mit dem die tödliche Politik der Isolation bekämpft werden kann.
Spetsialna Operatsiia bietet einen gespenstischen Bericht über die Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl durch russische Soldaten zu Beginn der Invasion im Februar 2022. Aus Überwachungskameraaufnahmen der Aktion, die er mit einem reduzierten Soundtrack frei von menschlichen Stimmen versieht, erschafft Oleksiy Radynski eine nahezu entkörperlichte Untersuchung militärischer Logik.
Aus Anlass des 20ten Jubiläums von Forum Expanded wird zum Festival ein Programm aus Diskussionsrunden und Panels, sowie retrospektiver Filmprogramme mit ausgewählten Arbeiten aus vorherigen Ausgaben präsentiert. Das Jubiläumsprogramm wird durch den Hauptstadtkulturfonds gefördert. Mehr Informationen zu Titeln und Gäst*innen werden vor dem Festivalbeginn veröffentlicht.
Forum Expanded wird kuratiert von Ulrich Ziemons (Leitung), Karina Griffith und Shai Heredia.
Presseabteilung
9. Januar 2025