2012 | Retrospektive
Ein deutsch-russisches Filmexperiment
In einem ausführlichen Interview gibt Rainer Rother einen Ausblick auf die Retrospektive der Berlinale 2012. Er stellte das deutsch-russische Filmstudio Meschrabpom, spannende Filmentdeckungen sowie die Hauptakteure vor und berichtet von der Experimentierfreudigkeit und Pionierarbeit einer fast in Vergessenheit geratenen Traumfabrik.
Wie entstand die Idee zum Thema der diesjährigen Retrospektive?
Die Retrospektiven der Berlinale haben ja immer schon Überblicke auch über unbekanntere Perioden der Filmgeschichte gegeben und damit Entdeckungen ermöglicht. In diesem Jahr ist das in besonderem Maß der Fall, denn die deutsch-russischen Filmbeziehungen der 1920er und frühen 30er Jahre sind, obwohl in vieler Hinsicht prägend für die Entwicklung der Filmästhetik, in ihrer Vielfalt kaum bekannt oder erforscht. Bei der Entscheidung für dieses Thema hat ein glückliches Zusammentreffen eine wichtige Rolle gespielt. Die Filmhistoriker Alexander Schwarz und Günter Agde, ausgewiesene Kenner des russischen und sowjetischen Kinos, haben sich bereits seit längerem mit dem Filmstudio Meschrabpom beschäftigt. Als sie im Laufe ihrer Vorrecherchen Zugang zu sehr umfangreichen Materialbeständen bekamen und als vor allem klar wurde, dass deutlich mehr Filme erhalten und zugänglich sind, als wir ursprünglich angenommen hatten, haben wir beschlossen, eine Retrospektive und eine umfangreiche Publikation über die rote Traumfabrik und die deutsch-russische Kooperation zu konzipieren.
Wie kam die Kooperation damals zustande? Durch den deutsch-russischen Vertrag von Rapallo haben sich ja zwei Geächtete der damaligen internationalen Politik zusammengeschlossen. Andererseits gehörten zu der Zeit sowohl Russland als auch Deutschland zu den produktivsten Kinematographien Europas bzw. der Welt.
Man kann diese Gründung sicher auf die große Aufmerksamkeit zurückführen, die es in Westeuropa und vor allem in Deutschland für die Situation in Russland nach dem Bürgerkrieg gab. Die Internationale Arbeiterhilfe wurde in Berlin als Reaktion auf die Hungersnot im Wolgagebiet gegründet. Auch unabhängig davon haben sich Intellektuelle wie der Schriftsteller Karl Kraus engagiert, indem sie zum Beispiel Einnahmen aus Lesungen zur Verfügung gestellt haben. Als der russische Medienprofi Moisej Alejnikow 1922 in Deutschland auf Willi Münzenberg traf, war gerade bei der linken liberalen Intelligenz die Aufmerksamkeit für die Verhältnisse in Russland sehr groß. Münzenberg, ein – wenn man so will – „Medienmogul“ der Kommunisten, hatte dann die Idee, mit einer gemeinsamen Aktiengesellschaft die Filmproduktion anzugehen – zunächst mit dem Ziel, Dokumentarfilme über die Situation in Russland zu produzieren. Mit der Zeit wurden die Projekte ambitionierter, so dass es zu einem regen wechselseitigen Im- und Export von Filmen kam. Es gab auch einen personellen Austausch: Fjodor Ozep zum Beispiel hat sowohl in der Sowjetunion gearbeitet als auch in Deutschland.
Willi Münzenberg richtete seine propagandistische Tätigkeit vor allem an die sympathisierenden Intellektuellen, um die Ziele der internationalen Arbeiterbewegung voranzutreiben. Er hat die Propagandafunktion und den Appellcharakter des Mediums – nicht nur zur Mobilisierung der Arbeiter, sondern auch im Bezug auf die intellektuelle Schicht – erkannt. Kann man sagen, dass sich dieser Gedanke auf das Niveau der Filme ausgewirkt hat?
Das ist sicherlich ein großes Verdienst von Münzenberg gewesen. Man sieht bereits an der von ihm gegründeten Arbeiter Illustrierten Zeitung und den Fotomontagen, die John Heartfield beigesteuert hat, dass die Formen, die dort benutzt wurden, aus der Avantgarde kamen. Das war eine ganz andere Formensprache als die des später zur Doktrin erhobenen sozialistischen Realismus mit seinen Klischees. Sowohl in den deutschen als auch den russischen Filmen wurde versucht, die Grenzen der filmischen Sprache zu erweitern. Künstler wie Eisenstein oder Pudowkin, dessen Buch über Filmmontage und -technik schon damals auch auf deutsch erschien, haben einen enormen Einfluss auf den internationalen Diskurs der 20er und frühen 30er Jahre ausgeübt.
Von Idolen und Robotern: Stars, Regisseure und Genres bei Meschrabpom
Inwiefern kann man von einer roten „Traumfabrik“ sprechen? Wenn man das Hollywood-Starsystem, das den Zuschauer durch die starke Identifikation mit dem Helden in eine Art traumähnlichen Zustand versetzt, mit dem Sowjetkino, das überwiegend auf den Theorien der dialektischen Montage beruht, vergleicht, besteht ein augenscheinlicher Gegensatz bezüglich des psychologischen Modells.
Die Montagetheorie prägte vor allem die sogenannten Revolutionsfilme. Diese waren im Deutschland der Weimarer Zeit sehr erfolgreich, und ein Großteil der Filmimporte aus der jungen Sowjetunion durch Firmen wie die Prometheus konzentrierte sich darauf. Eines der prominentesten Beispiele ist Eisensteins Bronenosez Potemkin (Panzerkreuzer Potemkin), der von Prometheus-Film importiert wurde. Auch Meschrabpom hat Revolutionsfilme hergestellt – sie machen aber nur einen Teil der Produktion aus. Meschrabpom produzierte auch Animationsfilme, Dokumentarfilme, Kulturfilme und Komödien. Das ganze Spektrum dessen, was man von einem großen Filmstudio erwarten kann, wurde dort realisiert – natürlich unter den Bedingungen der Sowjetunion. Durch die Geschäftsform einer deutsch-russischen Aktiengesellschaft hatte Meschrabpom mehr Freiheiten und entwickelte dadurch mehr Experimentierfreude als andere sowjetische Firmen, die im Staatsbesitz waren.
Auf diese Weise nahm Meschrabpom eine Vorreiterrolle unter den sowjetischen Studios ein: der erste Tonfilm, die ersten Animationsfilme, der erste Farbfilm der Sowjetunion kamen von hier. Für unsere Filmauswahl war es uns wichtig, uns nicht nur auf die bereits kanonisierten russischen Revolutionsfilme zu fokussieren, sondern zu versuchen, die gesamte Bandbreite zu zeigen. Da gibt es sehr viele Entdeckungen zu machen.
Die Tradition eines privat geführten Studios wirkte bei Meschrabpom noch weiter. Die Komödien, Alltagsbeobachtungen oder Expeditionsfilme des Studios kann man sehr wohl unter den Aspekten betrachten, die für unsere Vorstellung von einer Traumfabrik entscheidend sind: die große Bedeutung von einzelnen Genres, Regisseuren oder Schauspielern. Die wunderbare Anna Sten, Boris Barnets Dewuschka s korobkoi (The Girl With the Hat Box | Moskau wie es weint und lacht), hat später in Hollywood eine zweite Karriere begonnen. Eine herausragende schauspielerische Leistung bot Igor Iljinski, der als Starkomiker des Studios Komödien wie Pozelui Meri Pikford (Moskau glaubt den Tränen nicht) oder Prasdnik Swjatowo Jorgena (Das Fest des heiligen Jürgen) prägte. Pudowkin, den wir als Meisterregisseur kennen, ist ein brillanter Darsteller in Filmen wie Schiwoi trup (Der lebende Leichnam), Salamandra (Salamander) oder in Dezertir (Deserteur). Diese präzise Art des Schauspiels, eine ganz eigene Schule, für die die sowjetische Theatertradition bestimmend ist, floss in die Filmgestaltung ein. Auch das begründete den Status der Meschrabpom als Traumfabrik: dass es diese Idole gibt.
Im Gegensatz zu den Produktionen der staatlichen Filmstudios in Russland waren die Filme der Meschrabpom sehr populär, wurden aber gleichzeitig für „ideologische Verfehlungen“ kritisiert.
Meschrabpom hatte eine größere Freiheit bei der Wahl der Stoffe und bei der Wahl der Formen. Allerdings bedeutet das nicht, dass alle Filme erfolgreich waren – es gab durchaus Flops, auch unter den Filmen, von denen sich Meschrabpom viel versprochen hatte. In der Phase der Stalinisierung wurde die besondere Konstruktion einer deutsch-russischen Aktiengesellschaft dem Regime zunehmend ein Dorn im Auge. Darum nahmen die ideologischen Angriffe gegen die Filme kontinuierlich zu, bis Meschrabpom 1936 auf Stalins Geheiß liquidiert wurde. In der Phase zwischen 1933 und 1936 war Meschrabpom ein Zufluchtsort für deutsche Künstler, die dort nach der Flucht aus Deutschland arbeiten konnten. Erwin Piscator hat im Exil Wosstanije rybakow (Aufstand der Fischer) realisiert und Gustav von Wangenheim Bortsy (Kämpfer). Auch das gehört zu dieser Geschichte dazu.
Neben Eisensteins Oktjabr (Oktober) und Pudowkins Konez Sankt-Peterburga (Das Ende von Sankt Petersburg) haben Sie mit Aelita einen weiteren Film über die Revolution im Programm. Aelita ist einer der frühesten Langfilme des Science-Fiction-Genres und stellt den Sturm auf das Winterpalais sozusagen in futuristischer Umgebung nach. Stilistisch vom deutschen Expressionismus beeinflusst, wurden seine Motive immer wieder aufgegriffen – zum Beispiel in Langs Metropolis.
An diesem Beispiel sieht man, dass die Experimentierfreudigkeit sehr groß war. Jakow Protasanows Idee, einen Film über eine sozialistische Gesellschaft auf dem Mars zu drehen, geht aus diesem sehr dem Experiment und der formalen Neuerung zugewandten Geist hervor. Das Studio hat auch später immer wieder neue Wege erkundet. Gibel sensazii (Der Untergang der Sensation) von Aleksandr Andrijewski ist vermutlich einer der ersten Roboterfilme der Filmgeschichte.
Kann man diese Verlegung der Revolution auf den Mars vielleicht als eine Art verschlüsselten Kommentar auf die politische und historische Realität Russlands verstehen, eventuell vergleichbar mit Wienes Das Cabinett des Dr. Caligari?
Sicher gibt es solche Kommentare. Wenn man sich etwa mit Boris Barnet, der als Regisseur von „leichten“ Filmen bekannt ist, beschäftigt, entdeckt man zum Beispiel den Film Dom na Trubnoi (Das Haus in der Trubnaja-Straße), der voller Anspielungen auf die Beschränkungen der sowjetischen Realität ist. Er spielt mit dem Phänomen der „Neuen Reichen“, die im Zuge der Neuen Ökonomischen Politik entstanden sind, er verarbeitet sehr viele dieser Problematiken in einem Film, der zugleich sehr unterhaltsam ist. Das gilt auch für andere Filme – sowohl, was politische Entwicklungen als auch alltägliche Lebensumstände angeht. Es ist ein typisches Phänomen für Studioproduktionen von Meschrabpom, dass diese zwar mit Genres spielen, dass aber diese Genres gesättigt sind mit Realitätserfahrungen.
Filmische Entdeckungen und beachtliche Zeitdokumente
Haben Sie im Auswahlprozess besondere Entdeckungen – auch von unbekannteren Filmen – gemacht?
Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, die überhaupt zum ersten Mal in Deutschland zu sehen sind oder die seit den 30er Jahren nicht mehr zur Aufführung kamen. Bei den Dokumentar- und Animationsfilmen haben wir eine große Vielfalt unterschiedlicher Techniken und formaler Ansätze gesehen und echte Perlen gefunden. Solotoje osero (Kampf um Gold) von Wladimir Schnejderow, einem Spezialisten für das Genre des Expeditionsfilms, ist in Deutschland noch nie gelaufen. Boris Barnet, den man vor allem durch populäre Arbeiten kennt, hat mit Ledolom (Eisgang) auch einen sehr propagandistischen Film über die Kulaken gedreht, der uns heute als Hetzfilm erscheint, aber beeindruckend in den formalen Mitteln ist. Werke wie Slutschajnaja wstretscha (Zufällige Begegnung) von Sawtschenko oder auch die stumme Fassung von Piscators Wosstanije rybakow, die im Bild sehr viel klarer und in der Storyentwicklung viel überzeugender als die Tonfassung ist, sind wahre Entdeckungen. Wir haben versucht, eine Kombination zu finden zwischen den Meisterwerken, die in die Filmgeschichte eingegangen sind – wie Konez Sankt-Peterburga oder Potomok Tschingis-chana (Sturm über Asien) – und den Filmen, die vor allem durch die sehr spezifische Exportpolitik, die damals betrieben wurde, in Vergessenheit geraten sind.
Die Prometheus-Film fungierte als Verleih der Meschrabpom-Exporte in Deutschland, produzierte aber auch eigenständige Filme wie Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt? oder Mutter Krausens Fahrt ins Glück. Sowohl bei Bronenosez Potemkin als auch bei Kuhle Wampe wurden Zensurmaßnahmen ergriffen, da die deutsche Filmprüfstelle bereits in deutschnationaler Hand war. Nicht nur der Bereich der Distribution, sondern die Produktion erwies sich zuweilen als schwierig: Im Gegensatz zu dem amerikanischen Big Business war die europäische Filmlandschaft von einer Zurückhaltung der Geldgeber geprägt. Sie waren außerdem zumeist Bessergestellte, die kein Interesse hatten, sozialrevolutionäre Projekte zu unterstützen. Mit welchen Problemen wurde die Filmgesellschaft konfrontiert?
In der Sowjetunion war bis circa Anfang der 30er Jahre die Realisation der Stoffe relativ unproblematisch – es gab zwar ökonomische Schwierigkeiten, aber der ideologische Druck seitens der Partei war noch nicht so groß wie später. Die Produktion in Deutschland dagegen litt eher an den finanziellen Einschränkungen, da die Unterstützung großer Filmfirmen fehlte. Daher ist auch die Anzahl der realisierten Filme deutlich geringer.
War die Prometheus-Film sozusagen ein Gegenmodell zur rechtskonservativen UFA, die später den Propagandafeldzug der Nationalsozialisten unterstützte?
Die Prometheus-Film hat sich als ideologisch ausgerichtete Produktionsfirma verstanden und war damit im Grunde ein Gegenmodell zu allen anderen Akteuren der damaligen Filmwirtschaft. Auch verfügte sie nicht über eine Kapitalbasis wie die UFA oder die mittelgroßen Produktionsfirmen der Weimarer Republik, wie zum Beispiel das Tobis Tonbild-Syndikat oder die Terra Film.
Wie lassen sich die ideologischen Zielsetzungen beschreiben? Wie wirken sich diese formal-ästhetisch und inhaltlich auf der Ebene der Stoffe aus?
Ich glaube nicht, dass es eine einheitliche Ausrichtung oder Botschaft gibt. Schon deswegen nicht, weil die ideologischen Ausrichtungen in der Sowjetunion zwischen 1923 und 1936 vielen Schwankungen unterworfen sind. Dass es sich um Filme handelt, die in einer Diktatur und einem ideologisch aufgeladenen Diskurs entstanden, ist allerdings offenkundig. Nur gibt es diese durchgängige Einheitlichkeit nicht. Es handelt sich in erster Linie um Filme, sie sollten publikumswirksam sein und zeigten Ambivalenzen, entstammen unterschiedlichen Kontexten, die in stetiger Wandlung begriffen waren. Sie sind Produktionen, die von ihren jeweiligen Urhebern im Kontext der kommunistischen Internationale oder der Entwicklung der jungen Sowjetunion gesehen wurden, aber sie lassen sich nicht auf diese Funktion beschränken. Sie sind in formaler Hinsicht interessant, weil sie neue Wege gehen, und sie sind für uns gelegentlich begeisternd, weil sich in ihnen Realität aus der Entstehungszeit niederschlägt.
Welche ästhetischen Neuerungen gingen von den Filmen aus, vor allem in Bezug auf den aufkommenden Tonfilm?
Die Erfindung des Tonfilms war in den USA und in Europa von Patentstreitigkeiten um konkurrierende Systeme geprägt. In der Sowjetunion hat man (auch notgedrungen) daraus die Konsequenz gezogen, einen eigenen Weg zu gehen und ein eigenes Tonsystem zu entwickeln, um von den internationalen Patenten unabhängig zu sein. Der erste Tonfilm Putjowka w schisn (Der Weg ins Leben) von Nikolai Ekk ist von der Lust am Experiment und an den neuen Möglichkeiten des Tons gekennzeichnet. Das trifft auf viele frühe Tonfilme zu, ob es nun in den USA King Vidors Our Daily Bread, die Tonfilmoperetten in Deutschland, Musicals oder die Filme von René Clair und Jean Renoir sind, die mit dem erweiterten Spielraum innovativ, manchmal ironisch umgehen. Der Ton beginnt, eine eigenständige Rolle zu spielen.
In den Spielfilmen wie Ekks Putjowka w schisn führt das zu einer Verselbständigung dieser Ausdrucksform: in bestimmten Szenen ist der Ton derart dominant für die Bedeutung dessen, was wir empfinden, dass man ihn als künstlerisches Mittel wahrnimmt, als Träger einer ästhetischen Bedeutung.
Wie war die Reaktion des zeitgenössischen Publikums? Kuhle Wampe wurde 1932 von der Filmprüfstelle verboten.
Kuhle Wampe, bekannt durch die Mitarbeit von Brecht und Eisler, und auch Mutter Krausens Fahrt ins Glück greifen die Themen auf, die in dieser Zeit offenkundig das Problem in Deutschland ausmachen: die Weltwirtschaftskrise, die Verarmung und die Perspektivlosigkeit angesichts der Massenarbeitslosigkeit. Sie versuchen, auf diese gesellschaftlich hochbrisante Situation mit den Mitteln des Films zu reagieren. Sie sind dadurch auch Agitationsfilme und verstehen sich als solche.
Anknüpfungspunkte der Retrospektive 2012
Der Begriff des Propagandafilms ist sehr negativ konnotiert. Besteht inzwischen heutzutage die Möglichkeit, sich durch die historische Distanz unbefangener den Filmen zu nähern? Ja, wäre es sogar vorstellbar, dass sie eine Aktualität und Relevanz haben? Welche Diskussion will die kommende Retrospektive anstoßen?
Den wesentlichen Impuls, den wir uns erhoffen, ist, dass wir es ermöglichen, Filme zu sehen, die jahrzehntelang kaum zu sehen waren und die auch in Russland in Vergessenheit geraten sind, nachdem Meschrabpom 1936 von der stalinistischen Diktatur liquidiert wurde. In der umfangreichen Begleitpublikation zur Retrospektive wird die Geschichte und Ästhetik der Filme intensiv (von russischen und deutschen Autoren) aufgearbeitet. Historische Dokumente, zahlreiche unveröffentlichte Fotos, zeitgenössische Filmplakate und eine vollständige Filmografie ergänzen diese Studien. Wir möchten so die Vielfalt der Produktion präsentieren, die sowohl aus der Perspektive eines Filmzuschauers, der einen Unterhaltungsfilm entdeckt, sichtbar ist als auch aus der Perspektive eines Cineasten, der plötzlich die Vielfalt von Genres bemerken kann. Beeindruckend ist die Art und Weise, wie mit den bescheidenen Mitteln eines Landes, das sich im Umbruch befindet und noch immer unter den Folgen des Bürgerkrieges leidet, in diesem Studio Meschrabpom versucht wurde, alle Möglichkeiten des Films auszuschöpfen und in ihrer ästhetischen Entwicklung voranzutreiben.